Sonntag, 12. Oktober 2014

Visum, Wahlen und Alltag

Hola a todos! :)

Nun sind schonwieder zwei Wochen seit dem letzten Blogeintrag vergange und seitdem ist einiges passiert. Ich kann kaum glauben, dass ich schon einen Monat hier bin, die Zeit vergeht wirklich wie im Flug... Heute ist kein gewöhnlicher Sonntag, denn es sind Wahlen! Ich sitze heute den ganzen Tag zuhause, denn es fahren weder Micros (so werden die Busse hier genannt) noch Taxis!


Warum?


Ganz schön erstaunt war ich, als mir erklärt wurde, was für besondere Regeln es hier in Bolivien in der Woche der Präsidentschaftswahl gibt!
Erst mal schenken die Restaurants und Bars seit Freitag keine alkoholischen Getränke mehr aus, das ist gesetzlich so festgeschrieben. Das "ley seco", so wird dieses Gesetz genannt, sagt, dass 48 Stunden vor der Wahl bis 12 Stunden nach der Wahl der Alkoholkonsum untersagt ist. Falls doch jemand beim Genuss von Alkohol erwischt wird, ist es möglich, dass er/sie mit aufs Polizeirevier genommen wird, und womöglich noch eine Geldstrafe zahlen muss! Meine "Gastoma" hat mich am Freitag extra nochmal darauf hingewiesen, am Samstagabend keinen Alkohol zu trinken, da die Polizei mich sonst festnehmen würde und ich 8 Stunden in einer Zelle schmoren müsse. Darüber musste sie sich aber weiter keine Gedanken machen, da ich den Samstagabend zuhause verbrachte. Alle Leute mussten gestern dann um 24 Uhr zuhause sein und die Straßen waren plötzlich wie ausgestorben. Sie sollen anscheinend am Tag der Wahl ausgeschlafen und leistungsfähig in den Wahllokalen erscheinen. Außerdem ist jeder dazu verpflichtet, zur Wahl zu gehen! Ansonsten muss man eine Geldstrafe von 400 Bolivianos (ca. 40€), was hier wirklich viel Geld ist, bezahlen.
Des Weiteren gibt es heute keine Transportmittel, die einen zum Wahllokal bringen könnten, heute wird zu Fuß gegangen. Erst am Abend, irgendwann zwischen 18 und 20 Uhr, fahren wieder Busse und Taxis. Viele Läden und Restaurants sind heute zumindest einen Teil des Tages geschlossen, da ja jeder Bürger ab 18 Jahren Zeit braucht, seine Stimme abzugeben.
Hier in Santa Cruz gibt es viele Gegner von Evo Morales, da die moderne, reiche Stadt und das gesamte Tiefland nach Autonomie streben, die aber mit dem derzeitigen Präsidenten nicht erreicht wird. Viele besser betuchte Leute wollen ein neues Staatsoberhaupt, wogegen die ärmere Bevölkerungsschicht und vor allem auch indigenen Landwirte Morales weiterhin in seinem Amt sehen wollen. Die Spannung steigt auch bei mir, und spätestens morgen wird das Ergebnis der Wahl bekannt sein!


Visum

Letzte Woche waren wir noch einmal wegen unseres Visums unterwegs. Geplant war, dass wir Mittwoch zur FELCC für unseren Strafregisterauszug, am Donnerstag zum Tránsito für die Wohnsitzbestätigung und am Freitag zur Migración und zur Bank gehen.
Am Mittwoch lief alles nach Plan: Wir trafen uns alle vor dem Gebäude der FELCC, und als dann irgendwann alle angekommen waren, ging alles ganz flott. Eine Unterschrift und schon waren wir durch, denn das meiste regelt für uns ein "tramitador" (eine Art Anwalt), der vom BKHW zu unserer Entlastung angestellt wurde.
Dann, am Donnerstag trafen wir uns nicht wie geplant um 7!!! Uhr beim Tránsito, sondern um 9 Uhr an der Plaza, um mit unserer Koordinatorin unsere zweite "Sitzung" abzuhalten. Alle erzählten von ihren Projekten und Gastfamilien und es wurden verschiedene Probleme besprochen. Ich fand das sehr interessant und musste feststellen, dass fast alle wirklich sehr zufrieden in ihren Projekten sein müssen. Als ich von meiner KiTa erzählte, konnte ich aber einfach nicht behaupten, dass ich rundum glücklich in meinem Projekt bin. Durch die schlechte finanzielle Lage des Projekts und der Familien, die ihre Kinder dort hinbringen, ist alles ein bisschen schwer. In meiner Gastfamilie fühle ich mich dagegen sehr wohl. Wobei der Begriff "Gastfamilie" nicht wirklich zutrifft, ich sehe mich eher als Mieterin als als Familienmitglied an. Ich habe meine eigene Küche, kaufe meine eigenen Lebensmittel ein, koche für mich selbst und esse allein. Schade find ich manchmal, dass ich z.B. nicht mit Lola und ihrem Enkel zusammen esse, weil ich eigentlich gerne mehr mit den beiden reden würde, aber alles irgendwie ziemlich getrennt ist. Ansonsten bin ich aber manchmal froh, dass ich mich hier auch mal zurückziehen kann, mit niemandem reden muss, und einfach meine Ruhe habe.
So, nun Donnerstagnachmittag: Wir fuhren gemeinsam zum Tránsito und warteten dort ca. 1-2 Stunden in einer viel zu stark klimatisierten Halle, bis wir aufgerufen wurden und zum Schalter konnten, um dem Angestellten dort unter anderem unsere Adresse, Handynummer und unser Herkunftsland mitteilten. Dann ging es aus einer auf gefühlte 15 Grad heruntergekühlten Halle wieder raus in schwüle 35 Grad. Dass diese Kombination mir nicht gerade guttat, merkte ich schon am Donnerstagabend, als mein Hals anfing zu kratzen und ich merkte, dass sich eine Erkältung ankündigte. Da wir die Erledigungen von Freitag auf Montag verschoben hatten, wäre Freitag normaler Arbeitstag gewesen. Ich blieb aber zuhause, da ich nicht noch ganz krank werden wollte.
Montag war dann nochmal ein langweiliger, aber trotzdem anstrengender Tag, der hauptsächlich aus Warten bestand. Von 9 Uhr morgens bis 17 Uhr waren wir fast konsequent am Warten und waren dann wirklich froh, als wir am späten Nachmittag dann schließlich unsere Dokumente und Pässe abgegeben hatten und wussten, dass wir in ca. 4 Wochen endlich unser Visum bekommen würden.


mein Alltag

Ich würde sagen, nach mehr als 4 Wochen kann ich jetzt schon ungefähr meinen Alltag beschreiben. Der sieht unter der Woche eigentlich immer ziemlich ähnlich aus. Ich stehe um 7 Uhr auf, frühstücke und mach mich dann um 7.45 Uhr auf den Weg zur Guardería. Seit letzter Woche kenne ich nun auch den Weg zu Fuß und werde in Zukunft wohl kaum mehr mit dem Micro zum Projekt fahren, da es nur ca. 10-15 Minuten Fußweg sind und so ein bisschen Bewegung vor und nach der Arbeit eigentlich ganz gut tut. Wenn ich dann, meistens ziemlich verschwitzt (ja, schon morgens um 8!), in der Guardería ankomme werde ich von den Kindern jeden Morgen herzlich mit "Hola tía" begrüßt und erstmal von vielen Kindern umarmt, was ich schon ziemlich süß finde. Meistens sind die Kinder gerade am Frühstücken, wenn ich ankomme, also setze ich mich einfach dazu und rede mit der anderen tía oder schenke den Kindern den viel zu süßen Tee (alles hier ist viel zu süß!) nach. Dann wird oft einfach eine Kiste mit Spielzeug auf den Boden gekippt, und die Kinder sollen sich damit beschäftigen. Dieses Ritual gefällt mir irgendwie ganz und gar nicht, denn das zeigt meiner Meinung nach richtig, dass es den tías relativ egal ist, ob die Kinder sich nun sinnvoll beschäftigen oder nicht. Die setzen sich dann auch einfach irgendwo hin und hören Musik oder so. Die Kinder streiten sich oft um irgendein Spielzeug, und wenn ich ihnen vorschlage, einfach zusammen damit zu spielen, schauen sie mich nur entgeistert an und streiten weiter... Wie schonmal erwähnt kennen es die Kinder auch gar nicht, alle gemeinsam etwas zu spielen, was ich sehr schade finde. Deswegen macht es mich auch richtig glücklich, wenn ich es mal schaffe, mit einem Großteil einfach im Kreis zu sitzen und wir uns gegenseitig einen Ball zuwerfen, einfach nur weil ich ihnen zeigen will, dass gemeinsam spielen viel mehr Spaß macht. Dann gibt es auch schon bald Mittagessen, danach putz ich mit den Älteren Zähne, anschließend wird der Boden und die Tische geputzt und dann, meistens so ab 13 Uhr, beginnt der langweiligste Teil des Tages. Dann warte ich eigentlich nur noch, bis es endlich 16 Uhr ist und ich nach Hause gehen kann. Ich finde es schrecklich sinnlos, dort dann noch 3 Stunden rumzusitzen, weil ich denke, die Zeit könnte ich auch besser nutzen. Ich werde mich wahrscheinlich deswegen bald nach einer Beschäftigung für den Nachmittag umsehen, vielleicht  wird es Basketballtraining in einem anderen Projekt werden, worüber ich mich ziemlich freuen würde. :) Wenn ich dann um 16.30 Uhr zuhause angekommen bin, passiert meistens nicht mehr viel. Manchmal koche ich dann später noch was, gehe einkaufen oder treffe mich mit den anderen in der Stadt.

Wochenenden


Wenn ich freitags mein Projekt verlasse, freue ich meistens schon richtig auf das Wochenende. Jeden Tag mit so vielen Kindern zusammen zu sein, ist schon sehr anstrengend und da ist man froh, wenn man mal 2 Tage seine Ruhe hat.
Große Ausflüge haben wir bis jetzt noch nicht unternommen, aber wir waren z.B. schon baden im Fluss "Pirai" am westlichen Stadtrand. Wir Freiwilligen verbringen am Wochenende sehr viel Zeit zusammen, was ich sehr schön finde. Oft setzen wir uns erstmal in ein Café, wo ich mein Lieblingsgetränk "Cappuccino frío" genieße und wir überlegen uns, was wir noch unternehmen wollen. Spontane Planänderungen gibt es aber auch oft, und wir machen am Ende etwas ganz anderes, als eigentlich geplant war. Über Märkte schlendern, ins Schwimmbad gehen, auf der Plaza sitzen oder Events von anderen Projekten besuchen,... Abends dann noch feiern gehen, wenn man nicht zu erschlagen von der Hitze am Tag ist. Alles was wir am Wochenende machen, ist ziemlich entspannt, sodass ich mich montagmorgens wieder bereit fühle für die neue Woche!


Bilder

Einige Kinder aus der Gruppe der Ältesten.

 Maria José, Diana und Jennifer. Sie sind sehr begeistert von meinen Armbändern und ich habe ihnen allen jetzt auch schon eins aus der tollen argentinischen Wolle, die man hier kaufen kann, gemacht.

 Lucas, mein kleiner Sonnenschein :)

 Beim Zähneputzen

 "besos revolucionarios", eine Aktion gegen Gewalt und Diskrimienierung vom Projekt San Isidro

Frisch gepressten Orangensaft ("jugo de naranja") kann man im Zentrum an jeder Straßenecke für wenig Geld bekommen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen