Samstag, 28. März 2015

Halbzeit

Halbzeit! So schnell sind glaube ich noch nie 6 Monate vergangen. Wir sind doch gerade erst aus dem Flugzeug ausgestiegen und die schwüle Luft hat uns alle erdrückt, als wir aus dem Flughafengebäude kamen.
Aber natürlich hat sich seit der Ankunft hier ziemlich viel entwickelt und verändert. Ich kann inzwischen sagen, dass ich richtig angekommen bin und mich, würde ich sagen, super eingelebt habe. Die Stadt, die ich am Anfang noch ziemlich hässlich fand und nicht richtig mochte, habe ich lieben gelernt und jedes  Mal, wenn ich von einer Reise zurückkomm, habe ich das Gefühl, ich bin wieder Zuhause. Als ich dieses Gefühl zum ersten Mal hatte, dachte ich: Jetzt bist du wirklich in Bolivien angekommen.
Trotz des Mülls, der vielen Abgase und den überfüllten Micros genieße ich jeden Tag -  diese Dinge gehören eben zu Santa Cruz genauso wie die Hitze und die Luftfeuchtigkeit. Das alles ist jetzt zur Alltagsroutine geworden, und fällt einem eigentlich gar nicht mehr sehr auf.

Die Kindertagesstätte machte Mitte Dezember für ca. eineinhalb Monate zu, die Sommerferienzeit eben. Die ersten beiden Wochen nutzte ich, um ein bisschen zu reisen. Mit einigen anderen Freiwilligen aus Santa Cruz, Sucre und La Paz fuhr ich zum größten Salzsee der Welt, dem Salar de Uyuni. Wenn ich an die 3 Tagestour zurückdenke, bin ich immer noch

total fasziniert von dieser Weite und vor allem auch von der Landschaft rund um den Salar. Silvester verbrachten wir dann in La Paz. Um Mitternacht auf einer kleinen Mauer in el Alto zu sitzen und auf die riesige Stadt mit ihrem Millionen Lichtern und einzelnen Feuerwerken hinabzuschauen, das war schon ziemlich ziemlich atemberaubend. In diesem Moment wurde mir malwieder klar, was ich gerade hier erleben darf und wie dankbar ich dafür bin. In den 2 Wochen haben wir viele neue Facetten des Landes  kennengelernt und staunten über die Vielfältigkeit Boliviens.
Wieder zurück im nach wie vor heißen Santa Cruz, begann meine Arbeit in dem Kunstprojekt „Arterias Urbanas“. Dort bot ich drei Mal in der Woche einen Armbandkurs an, für den zuvor mit schön gestalteten Plakaten geworben wurde. Im Voraus besorgte ich außerdem alle Materialien, gewachste Macramewolle, in verschiedenen Farben.
Als ich am ersten Tag zu Arterias fuhr, hatte ich schon ein bisschen Angst, dass ich allein dasitzen und keine Kinder kommen würden. Doch mit der typischen bolivianischen Verspätung, die ich aber durchaus auch schon adaptiert habe, kamen nach und nach einige Kinder. 8-10 Mädchen und sogar Jungen, zu meiner Überraschung, verschiedener Altersgruppen nahmen am Kurs teil und zeigten viel Motivation und teilweise auch richtig viel Geduld und Durchhaltevermögen. Von Tag zu Tag wurden die Armbandtechniken ein bisschen anspruchsvoller, die Lust am knüpfen schwand aber trotzdem nicht. Die Tage bei Arterias waren für mich eine tolle Zeit, es hat mir Spaß gemacht mal mit älteren Kindern zu arbeiten und meine Fähigkeiten weiterzugeben. 


Anfang Februar begann dann wieder die Arbeit in der Guardería, mit 3 neuen Kolleginnen und ziemlich vielen neuen Kindern. Seit Februar wurde die Erzieherin der 2-4 jährigen glaube ich ungefähr 5 mal ausgetauscht, warum, weiß ich nicht genau. Dass diese Gruppe aber wirklich nicht leicht zu handhaben ist, merkte ich aber selbst auch. Eines Morgens als ich gerade auf dem Weg zur Arbeit war rief mich meine Chefin an, ich sollte heute doch bitte die Mittleren übernehmen, die „tia“ kann nicht kommen. Okay, dachte ich, wird schon gehen. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Ca. 15 Kleinkinder, jedes macht irgendeinen anderen Unfug,… Beim Mittagesssen landete dann mehr als dir Hälfte des Essens auf dem Boden als in den Mündern der Kinder. Zur Krönung ließ dann ein Kind noch vor meinen Augen die Hosen runter und machte sein Geschäft einfach auf den Boden. Da dachte ich dann echt, ich bin im Irrenhaus! So viel Chaos, niemand hört auf einen, und man versucht alles, um etwas Schönes mit den Kindern zu machen und stößt dabei nur auf Desinteresse. Naja, die Kinder sind ja nicht daran Schuld, wie sie erzogen werden. Seit diesem Tag meide ich die Gruppe ein bisschen, die sind einfach nicht in den Griff zu bekommen leider.
Für viele Kinder ist es das erste Mal, dass sie den ganzen Tag nicht bei ihren Eltern bzw. Tanten/ Großeltern sind und sie weinen sehr viel und schreien nach ihren jeweiligen Bezugspersonen. Das machte die Arbeit ziemlich anstrengend, weil immer ein Kind geheutl hat und es ziemlich schwer ist, es dann zu beruhigen.

Eine sehr positive Sache noch: Dank einer großzügigen Spende der Bolivien-Arbeitsgemeinschaft meines ehemaligen Gymnasiums hatte ich die finanziellen Mittel zur Verfügung, Farbe zu kaufen, um die kahlen, backsteinfarbenen Wände zu bemalen. Dies dauert seine Zeit, weil die Wände nicht verputzt sind und überall die Steine rausschauen. Die Fläche ist also uneben und man kann nicht mit einer Rolle streichen, sondern muss alles mit einem Pinsel machen.
Nach und nach entstand also mit bunten Farben und kinderfreundlichen Zeichnungen ein viel angenehmeres Ambiente. Mit dem Rest der Spende werde ich bald noch Spielzeug und Arbeitsmaterial kaufen, damit die Ausstattung der Guarderia wenigstens ein bisschen erneuert und erweitert werden kann.








Seit Mitte Februar trainiere ich im Projekt „Plataforma Solidaria“ nun endlich zwei Mal die Woche eine Basketballmannschaft. Das vielseitige Projekt hat sein Programm nun durch diese Aktivität nochmals erweitert und es besteht durchaus Begeisterung für die Sportart. Auch mir bringt das Training viel Spaß, da ich so das Gefühl habe etwas weitergeben zu können und so auch ein bisschen mehr Abwechslung in meinem Alltag habe. 

 



Natürlich gibt es immer wieder schwierige Momente und Situationen, trotzdem überwiegen die positiven Gefühle definitiv. Ich genieße die Zeit mit den Kindern, die manchmal einfach so süße Sachen zu einem sagen und einen immer wieder zum Lächeln bringen!



Die Uhr tickt!