Halbzeit! So
schnell sind glaube ich noch nie 6 Monate vergangen. Wir sind doch gerade erst
aus dem Flugzeug ausgestiegen und die schwüle Luft hat uns alle erdrückt, als
wir aus dem Flughafengebäude kamen.
Aber
natürlich hat sich seit der Ankunft hier ziemlich viel entwickelt und
verändert. Ich kann inzwischen sagen, dass ich richtig angekommen bin und mich,
würde ich sagen, super eingelebt habe. Die Stadt, die ich am Anfang noch
ziemlich hässlich fand und nicht richtig mochte, habe ich lieben gelernt und
jedes Mal, wenn ich von einer Reise zurückkomm, habe ich das Gefühl, ich
bin wieder Zuhause. Als ich dieses Gefühl zum ersten Mal hatte, dachte ich:
Jetzt bist du wirklich in Bolivien angekommen.
Trotz des
Mülls, der vielen Abgase und den überfüllten Micros genieße ich jeden Tag
- diese Dinge gehören eben zu Santa Cruz genauso wie die Hitze und die
Luftfeuchtigkeit. Das alles ist jetzt zur Alltagsroutine geworden, und fällt
einem eigentlich gar nicht mehr sehr auf.
total fasziniert von dieser Weite und vor allem auch von der Landschaft rund um den Salar. Silvester verbrachten wir dann in La Paz. Um Mitternacht auf einer kleinen Mauer in el Alto zu sitzen und auf die riesige Stadt mit ihrem Millionen Lichtern und einzelnen Feuerwerken hinabzuschauen, das war schon ziemlich ziemlich atemberaubend. In diesem Moment wurde mir malwieder klar, was ich gerade hier erleben darf und wie dankbar ich dafür bin. In den 2 Wochen haben wir viele neue Facetten des Landes kennengelernt und staunten über die Vielfältigkeit Boliviens.
Wieder
zurück im nach wie vor heißen Santa Cruz, begann meine Arbeit in dem Kunstprojekt „Arterias
Urbanas“. Dort bot ich drei Mal in der Woche einen Armbandkurs an, für den
zuvor mit schön gestalteten Plakaten geworben wurde. Im Voraus besorgte ich
außerdem alle Materialien, gewachste Macramewolle, in verschiedenen Farben.
Als ich am
ersten Tag zu Arterias fuhr, hatte ich schon ein bisschen Angst, dass ich
allein dasitzen und keine Kinder kommen würden. Doch mit der typischen
bolivianischen Verspätung, die ich aber durchaus auch schon adaptiert habe,
kamen nach und nach einige Kinder. 8-10 Mädchen und sogar Jungen, zu meiner
Überraschung, verschiedener Altersgruppen nahmen am Kurs teil und zeigten viel
Motivation und teilweise auch richtig viel Geduld und Durchhaltevermögen. Von
Tag zu Tag wurden die Armbandtechniken ein bisschen anspruchsvoller, die Lust
am knüpfen schwand aber trotzdem nicht. Die Tage bei Arterias waren für mich
eine tolle Zeit, es hat mir Spaß gemacht mal mit älteren Kindern zu arbeiten
und meine Fähigkeiten weiterzugeben.
Anfang
Februar begann dann wieder die Arbeit in der Guardería, mit 3 neuen Kolleginnen
und ziemlich vielen neuen Kindern. Seit Februar wurde die Erzieherin der 2-4
jährigen glaube ich ungefähr 5 mal ausgetauscht, warum, weiß ich nicht genau.
Dass diese Gruppe aber wirklich nicht leicht zu handhaben ist, merkte ich aber
selbst auch. Eines Morgens als ich gerade auf dem Weg zur Arbeit war rief mich
meine Chefin an, ich sollte heute doch bitte die Mittleren übernehmen, die
„tia“ kann nicht kommen. Okay, dachte ich, wird schon gehen. Aber ich wurde
eines Besseren belehrt. Ca. 15 Kleinkinder, jedes macht irgendeinen anderen
Unfug,… Beim Mittagesssen landete dann mehr als dir Hälfte des Essens
auf dem Boden als in den Mündern der Kinder. Zur Krönung ließ dann ein Kind
noch vor meinen Augen die Hosen runter und machte sein Geschäft einfach auf den
Boden. Da dachte ich dann echt, ich bin im Irrenhaus! So viel Chaos, niemand
hört auf einen, und man versucht alles, um etwas Schönes mit den Kindern zu
machen und stößt dabei nur auf Desinteresse. Naja, die Kinder sind ja nicht
daran Schuld, wie sie erzogen werden. Seit diesem Tag meide
ich die Gruppe ein bisschen, die sind einfach nicht in den Griff zu bekommen
leider.
Für viele
Kinder ist es das erste Mal, dass sie den ganzen Tag nicht bei ihren Eltern
bzw. Tanten/ Großeltern sind und sie weinen sehr viel und schreien nach ihren
jeweiligen Bezugspersonen. Das machte die Arbeit ziemlich anstrengend, weil
immer ein Kind geheutl hat und es ziemlich schwer ist, es dann zu beruhigen.
Eine sehr
positive Sache noch: Dank einer großzügigen Spende der
Bolivien-Arbeitsgemeinschaft meines ehemaligen Gymnasiums hatte ich die
finanziellen Mittel zur Verfügung, Farbe zu kaufen, um die kahlen,
backsteinfarbenen Wände zu bemalen. Dies dauert seine Zeit, weil die Wände
nicht verputzt sind und überall die Steine rausschauen. Die Fläche ist also
uneben und man kann nicht mit einer Rolle streichen, sondern muss alles mit
einem Pinsel machen.
Nach und
nach entstand also mit bunten Farben und kinderfreundlichen Zeichnungen ein
viel angenehmeres Ambiente. Mit dem Rest der Spende werde ich bald noch
Spielzeug und Arbeitsmaterial kaufen, damit die Ausstattung der Guarderia
wenigstens ein bisschen erneuert und erweitert werden kann.
Seit Mitte Februar trainiere ich im Projekt „Plataforma Solidaria“ nun endlich zwei Mal die Woche eine Basketballmannschaft. Das vielseitige Projekt hat sein Programm nun durch diese Aktivität nochmals erweitert und es besteht durchaus Begeisterung für die Sportart. Auch mir bringt das Training viel Spaß, da ich so das Gefühl habe etwas weitergeben zu können und so auch ein bisschen mehr Abwechslung in meinem Alltag habe.
Natürlich gibt es immer wieder schwierige Momente und Situationen, trotzdem überwiegen die
positiven Gefühle definitiv. Ich genieße die Zeit mit den Kindern, die manchmal
einfach so süße Sachen zu einem sagen und einen immer wieder zum Lächeln
bringen!
Die Uhr tickt!
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